Pechvögel, Glückspilze und eine Weihnachtsgeschichte
Eine meiner Bekannten erzählt mir immer wieder, was für ein Pechvogel sie sei. Und tatsächlich passieren ihr ständig kleine und größere Unglücke: Mal verliert sie zwei Schirme in einer verregneten Novemberwoche, dann tritt sie versehentlich mit neuen Schuhen in die einzige Pfütze weit und breit. Dann wird sie auf einer kaum belebten Straße unbemerkt bestohlen. Grundsätzlich leidet sie seit Jahren unter einem unmöglichen Chef, findet keinen anderen guten Job. Ein Missgeschick reiht sich ans andere Unheil. Sie ist eine nette Frau, die ich mag, aber sie ist halt ein Pechvogel.
Gleichzeitig kenne ich einen Glückspilz. Diese Person hat unglaublich viel Glück im Leben. Sie bekommt seit Jahren immer wieder die besten Jobs mit netten Kollegen. Sie hat viele beste Freunde, Ihre Kinder sind sehr gut geraten, Ihre Familie scheint wunderbar zu sein: Alle helfen einander, verbringen gemeinsam viel Zeit, feiern Feste, fahren gemeinsam in den Urlaub. Diese Freundin führt eine großartige Ehe mit einem tollen Ehepartner, mit dem sie viel lacht und viel Spaß im Leben hat. Sie ist halt ein Glückspilz, was sie selbst auch immer wieder betont. Sie weiß zu schätzen, was das Leben ihr seit Jahren schenkt.
Nun es stellt sich die Frage, warum das Leben so gemein und grausam für manche Menschen ist und so großzügig für andere. Weswegen sind Glück und Pech so unfair verteilt? Welchen Grund gibt es für diese zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit?
Zugegeben: Die erste Bekannte (der Pechvogel) hat einen tollen Mann und wohnt in einem wunderschönen Haus. Sie ist eine hübsche sympathische Frau, die viele Freunde hat. Auch sie hat eine tolle Familie, mit der sie viel Zeit verbringt und viel Spaß hat, wie sie immer wieder zwischendurch kurz erzählt.
Die zweite Bekannte, die sich für einen Glückspilz hält, hat letztes Jahr ihren Mann nach einem schweren Schlaganfall gerettet. Er war lange Zeit danach an den Rollstuhl gefesselt. Nach vielen Rehabilitationsmaßnahmen kann er zwar wieder langsam gehen. Aber leider hat er immer noch Gleichgewichtstörungen, kann nicht laufen, kein Fahrrad fahren und sein linker Arm ist noch nicht funktionstüchtig. Außerdem kümmert sich die Freundin um ihre pflegebedürftigen Eltern.
Dennoch hebt sie immer wieder hervor, wieviel Glück sie und ihr Mann trotz des Schlaganfalls hatten, und dass es schön ist, dass Ihre Eltern noch da sind.
Was möchte ich Ihnen nach diesen zwei kurzen Geschichten mitteilen? Sie ahnen es schon, oder?
Es gibt einen Effekt, den die Psychologen Robert Rosenthal und Lenore Jacobson erforscht haben: den „Pygmalion Effekt“. Pygmalion war in der griechischen Mythologie ein Bildhauer. Er wurde von einer Frau bitter enttäuscht. Trotz Liebeskummer suchte er weiter nach einer perfekten Frau. Auf seiner Suche schuf er eine weibliche Statue. Sie war dermaßen wundervoll und entsprach genau seinen Vorstellungen, dass er sich in sein eigenes Kunstwerk verliebte. Die Göttin Venus hat sich das angeschaut und war von seiner Liebe so sehr beeindruckt, dass sie die Statue für Pygmalion zum Leben erweckt hat. Es gab somit ein Happy End.
Diese Geschichte beschreibt, wie unsere Erwartungen unser Leben beeinflussen können, auch wenn in der Mythologie Zauberkräfte von Venus am Werk waren.
Im echten Leben haben die beiden Wissenschaftler Schulen unter die Lupe genommen. Sie haben den Lehrern in verschiedenen Klassen und in verschiedenen Schulen erzählt, dass manche Kinder außergewöhnlich gute Resultate in einem Intelligenztest erzielt haben, also gute Voraussetzungen für schnelle und gute Entwicklung mitbringen. Und so war es auch. Nach einem Jahr kehrten Rosenthal und Jacobson zurück und stellten fest: Genau diese Kinder hatten sich extrem gut entwickelt. Sie hatten sich in den meisten Fächern fast um zwei Noten verbessert – im Gegensatz zu anderen Schülern, die in den Intelligenztests ähnliche oder sogar gleiche Ergebnisse erzielt hatten. Die Forscher haben die Realität bei den zufällig gewählten Schülern ein wenig geschönt (mit einem guten Zweck im Hinterkopf), um zu schauen, ob positive Erwartungen der Lehrer einen Effekt auf die Ergebnisse dieser Schüler haben. Und offensichtlich war das so: Die Psychologen beobachteten diesen Effekt in weiteren Klassen und Schulen.
Was ist das wirklich passiert? Haben die Lehrer den Schülern einfach bessere Noten ohne jegliche Grundlage gegeben?
Nach Gesprächen mit den Lehrern hat sich herauskristallisiert, dass sie die angeblich „intelligenteren“ Kinder einfach mehr gefragt und unterstützt hatten. Sie haben den Schülern mehr zugetraut und haben einen stärkeren Fokus auf die Erfolge dieser Kinder anstatt auf deren Defizite gelegt. Es war tatsächlich so, dass die Erwartungen die Handlung der Lehrer maßgeblich gelenkt und beeinflusst haben. Die Schüler wurden dadurch besser und haben bessere Resultate und somit auch Noten erzielt.
Denken Sie nun bitte an die beiden Bekannten von mir: an den Pechvogel und den Glückspilz. Und was denken Sie, wenn Sie an sich selbst denken?
Sind Sie im Leben eher ein Pechvogel oder eher ein Glückspilz?
Was fokussieren Sie in Ihrem Leben: die guten Dinge oder eher die schlechten Dinge, die Sie erleben?
Wir alle haben unsere inneren Einstellungen und Haltungen im Leben. Es sind viele Glaubenssätze dabei. Diese sind uns oft nicht bewusst. Dazu gehören jene Glaubenssätze, wonach wir uns für einen Glückspilz oder einen Pechvogel halten. Wir alle erfahren im Leben sowohl gute als auch schlechte Zeiten und Momente. Und abhängig von dieser inneren Erwartung nehmen wir verstärkt die guten oder eben die schlechten Dinge in unserem Leben wahr. Ähnlich wie in der Geschichte mit den Fröschen, die einen Wettlauf veranstaltet haben. Sie mussten einen hohen Berg erklimmen. Die Zuschauer waren sehr skeptisch. Sie glaubten nicht an einen Erfolg der Frösche und äußerten vernehmlich ihre Zweifel. Die skeptischen Rufe waren so laut, dass sie für alle mitlaufenden Frösche unüberhörbar waren. Und tatsächlich gab ein Frosch nach dem anderen auf der Strecke auf. Nur ein Frosch kam ans Ziel. Die Zuschauer waren erstaunt und wollten wissen, wie der Frosch es geschafft hat. Als sie ihn danach gefragt haben, hat sich herausgestellt, dass der Frosch taub war.
Und hier ist das Ende der Geschichte über Frösche, die sie am Ende des Beitrags nachlesen können. Das ist mein Weihnachtsgeschenk an Sie.
Aber was lernen Sie aus dieser Geschichte?
Vielleicht ist das nur eine rhetorische Frage?. Was ich Ihnen auch wünsche. Ich wünsche Ihnen, dass Sie, am Weihnachtsbaum stehend, sich gerne an diese Geschichte erinnern. Vielleicht sind Sie sowieso ein Glückspilz im Leben. Wenn das so ist, dann beglückwünsche ich Sie dazu?.
Falls Sie sich bis heute eher für einen Pechvogel halten, hoffe ich, dass Sie nachdenklich werden und bewusst überlegen, woran es wohl liegen mag. Könnte es sein, dass dies an Ihrer inneren „Brille“ liegt? Dass Sie Ihren Fokus vor allem auf das Negative und Schlechte in Ihrem Leben lenken? Und gleichzeitig das Gute Ihnen ein wenig „kleiner“ oder „selbstverständlich und dadurch nicht bemerkenswert“ erscheint?
Wir alle haben die freie Wahl, worauf wir uns fokussieren, woran wir glauben und was wir ein wenig ausblenden oder einfach schneller vergessen. Achten Sie darauf, und entscheiden Sie sich richtig. Jemand hat gesagt, dass das Leben die Kunst der guten Entscheidungen ist. Ich finde es auch.
Und manchmal ist es besser, taub wie ein Frosch zu sein – besonders dann, wenn jemand nicht an uns glaubt und Selbstzweifel in uns sät. Ich meine, dass es manchmal besser ist, auszuprobieren und auch vielleicht mal zu scheitern, als nichts zu tun und es irgendwann zu bereuen. Und wenn wir glauben, dass wir etwas schaffen können, dann haben wir meistens Recht. Das hat Henry Ford gesagt?.
Und genau das wünsche ich Ihnen vom Herzen: gute Entscheidungen im Leben, förderliche Glaubenssätze und seien Sie einfach ein wenig wie der Pygmalion. Gerade zu Weihnachten können wohl manche magischen Dinge passieren, habe ich gehört. Sie auch?
Ich wünsche Ihnen wunderbare Weihnachten mit vielen erfüllten Wünschen, magischen Momenten und mit Menschen, die Sie lieben und an Sie glauben?.
Ludwika Fichte
Hier noch die Geschichte über den Wettlauf der Frösche:
Die Fabel von den Fröschen – eine weise Geschichte
Eines Tages entschieden die Frösche, einen Wettlauf zu veranstalten. Um es besonders schwierig zu machen, legten sie als Ziel fest, auf den höchsten Punkt eines großen Turms zu gelangen.
Am Tag des Wettlaufs versammelten sich viele andere Frösche, um zuzusehen.
Dann endlich – der Wettlauf begann.
Nun war es so, dass keiner der zuschauenden Frösche wirklich glaubte, dass auch nur ein einziger der teilnehmenden Frösche tatsächlich das Ziel erreichen könne. Anstatt die Läufer anzufeuern, riefen sie also „Oje, die Armen! Sie werden es nie schaffen!“ oder „Das ist einfach unmöglich!“ oder „Das schafft Ihr nie!“
Und wirklich schien es, als sollte das Publikum Recht behalten, denn nach und nach gaben immer mehr Frösche auf.
Das Publikum schrie weiter: „Oje, die Armen! Sie werden es nie schaffen!“
Und wirklich gaben bald alle Frösche auf – alle, bis auf einen einzigen, der unverdrossen an dem steilen Turm hinaufkletterte – und als einziger das Ziel erreichte.
Die Zuschauerfrösche waren vollkommen verdattert und alle wollten von ihm wissen, wie das möglich war.
Einer der anderen Teilnehmerfrösche näherte sich ihm, um zu fragen, wie er es geschafft hatte, den Wettlauf zu gewinnen.
Und da merkten sie erst, dass dieser Frosch taub war!
Verfasser/Autor: Unbekannt – gefunden auf http://www.zeitzuleben.de